Teilen als Milliardengeschäft – die Sharing Economy
Interessierte Hörerinnen und Hörer finden auf dieser Seite weiterführende Informationen zu den einzelnen Sendungsthemen als Zusatzmaterial.
Die Materialien wurden zum Zugriffszeitpunkt 16.11.2015 erstellt von:
Prof. Dr. Uwe Walz, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Übersicht
1. Begriffserklärung und weitere Ausführungen des Bundestags
2. Ökonomie des Teilens – nachhaltig und innovativ?
– Ökonomie des Teilens – Governance konsequent zu Ende gedacht
– Die Chancen der Sharing Economy und ihre möglichen Risiken und Nebenwirkungen
– Mehr als das Teilen unter Freunden – Was die Sharing Economy ausmacht
– Share Economy – mehr Markt als Gemeinschaft
– Die Sharing Economy – ein Konzept zur Überwindung von Wachstumsgrenzen?
3. Übersicht der Arbeiterkammer
4. Studie
5. Interview
6. Personen
1. Begriffserklärung und weitere Ausführungen des Bundestags
Sharing Economy
Sharing Economy (auch „Shared Economy“ oder „Share Economy“) heißt wörtlich übersetzt „Wirtschaft des Teilens“ und bezeichnet die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern durch Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken sowie die Vermittlung von Dienstleistungen. Weltweit – und seit einigen Jahren auch in Deutschland – begeistern sich immer mehr Menschen für diese Idee, der oft konsum- und wachstumskritische Einstellungen zu Grunde liegen. Eigentum wird vielfach nicht nur als unnötig, sondern als Belastung gesehen. Ein häufig genanntes Beispiel ist die Bohrmaschine, deren Anschaffung sich kaum lohne, da sie durchschnittlich nur wenige Minuten pro Jahr genutzt werde. Wichtige Ziele sind eine bessere Auslastung bestehender Kapazitäten, die Senkung des Ressourcenverbrauchs sowie mehr soziale Kontakte und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Obwohl viele Ansätze ursprünglich sozial motiviert und unentgeltlich waren, stehen in der öffentlichen Diskussion gegenwärtig meist kommerzielle VermittlungsDienste („Plattformen“) im Transport- und Tourismusbereich im Mittelpunkt. Dazu gehören beispielsweise die als „Car-Sharing“ bezeichnete kurzfristige Autovermietung, taxiähnliche Fahrdienste wie „Uber“ oder die Zimmervermittlungs-Plattform „Airbnb“.
Quelle: Haese, M., „Aktueller Begriff Sharing Economy“, Deutscher Bundestag, 2015.
Link: https://www.bundestag.de/blob/377486/21fc4300787540e3881dbc65797b2cde/sharing-economy-data.pdf
2. Ökonomie des Teilens – nachhaltig und innovativ?
Die Sharing Economy hat sich durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten aus der Nische in die Mitte der Ökonomie katapultiert. Dabei betrifft das Phänomen sehr unterschiedliche Marktbereiche: vom altruistisch motivierten Teilen unter Freunden und Nachbarn bis zu kommerziellen Dienstleistungsangeboten. Die Sharing Economy ist mit der Hoffnung verbunden, bestehende Kapazitäten besser auszulasten und entsprechend ressourcenschonend zu wirken. Wird Eigentum geteilt, können allerdings Organisationsrenten abgeschöpft werden. Wer davon profitieren sollte, ist zu diskutieren. Die Debatte zum Taxidienstleister Uber hat zudem die Bedeutung des Regulierungsrahmens deutlich werden lassen.
Ökonomie des Teilens – Governance konsequent zu Ende gedacht
Die Ökonomie des Teilens und die konkreten Organisationsformen, die sich in der nahen Vergangenheit herausgebildet haben, wirken auf den ersten Blick sehr innovativ, verbreiten sie sich doch vor allem durch ihre IT-Basis rasant und global. Ähnlich positiv könnte bei oberflächlicher Betrachtung die Frage nach der Nachhaltigkeit der praktizierten Geschäftsmodelle beantwortet werden, steht doch der Austausch von Nutzungsrechten, der eine effizientere Nutzung von Ressourcen verspricht, im Vordergrund.
Quelle: Theurl, T., „Ökonomie des Teilens: Governance konsequent zu Ende gedacht“, Wirtschaftsdienst, 2015.
Die Chancen der Sharing Economy und ihre möglichen Risiken und Nebenwirkungen
Die Digitalisierung verändert heute viele Märkte auf dramatische Weise. Während traditionell für die Nutzung von Produkten ein Eigentum an eben diesen wenn nicht erforderlich, so doch zumindest oft zweckmäßig war, verändert sich dies durch die Digitalisierung in erheblichem Ausmaß. Ressourcen, die nicht dauerhaft von ihrem Eigentümer selbst genutzt werden, können über das Internet und dortige Vermittlungsplattformen heute relativ leicht anderen Nutzern temporär zur Verfügung gestellt werden. Scheiterte das temporäre Teilen von Ressourcen in der Vergangenheit oft an hohen Such- und Transaktionskosten, sind diese durch das Internet deutlich gesunken. Wie Jeremy Rifkin schon 2000 prognostizierte, ist das Eigentum an Ressourcen zunehmend weniger wichtig, da es andere Formen des Zugangs zu den Ressourcen gibt als über das Eigentum.
Quelle: Haucap, J., „Die Chancen der Sharing Economy und ihre möglichen Risiken und Nebenwirkungen“, Wirtschaftsdienst, 2015.
Mehr als das Teilen unter Freunden – Was die Sharing Economy ausmacht
Teilen ist nicht neu: Seit Jahrzehnten gibt es beispielsweise landwirtschaftliche Genossenschaften, die Maschinen teilen; seit Jahrhunderten gar Bibliotheken, in denen Bücher und inzwischen auch andere Medien entliehen werden können. Die Hilfe unter Nachbarn etwa beim Hausbau ist ein Beispiel für eine informelle Kooperation, die ebenfalls seit langem eingegangen wird. Die Idee, (eigene) Güter oder Fähigkeiten zu teilen oder zu vermieten, hat jedoch in den letzten Jahren starken Zulauf gefunden. Entsprechende Geschäftsmodelle werden inzwischen unter den Bezeichnungen „Sharing Economy“, „Share Economy“, „Collaborative Consumption“ oder „P2P Economy“ (Peer-to-Peer Economy) geführt. In Deutschland ist dies erst seit kurzem von Bedeutung. So weist Google Trends den Begriff „Sharing Economy“ für Deutschland erstmals im Mai 2013 aus. Weltweit wurde nach „Sharing Economy“ erstmals im März 2010 gesucht.
Quelle: Demary, V., „Mehr als das Teilen unter Freunden – Was die Sharing Economy ausmacht“, Wirtschaftsdienst, 2015.
Share Economy – mehr Markt als Gemeinschaft
Die Ökonomie des Teilens – Share Economy -, die wir heutzutage erörtern, beruht auf einer Änderung der Haltung zum Eigentum. Statt z.B. ein eigenes Auto zu besitzen, teilt man es sich mit anderen (Carsharing). Es geht um Verfügbarkeit (Access), nicht um Eigentum. Es reicht, bestimmte Güter auf Zeit in Besitz zu nehmen, statt sie selber als Eigentum zu kaufen.
Das kann man sich für viele Nutzungen vorstellen: Rasenmäher, Bohrmaschinen, Autos, Kleidung, Waschmaschinen, Kühlschränke, Gartengeräte, Handwerkzeug, Möbel bzw. Einrichtungen, sogar Bilder. Die Gesellschaft wird viele neue Optionen erfinden. Für manche Güter kennen wir längst das „Leihen“ (von Freunden geldlos, oder aber gegen Bezahlung) und das „Mieten“. Die Share Economy versteht sich hingegen als gemeinschaftliches Projekt. Jeremy Rifkin sieht darin den „Anfang einer Revolution“: eine neue Wirtschaftsordnung, die den Marktkapitalismus nicht ersetzen, aber ändern wird – „ein neues System des Gemeinguts“; er spricht vom „Paradigma der kollaborativen Commons“.
Quelle: Priddat, B. P., „Share Economy: mehr Markt als Gemeinschaft“, Wirtschaftsdienst, 2015.
Die Sharing Economy – ein Konzept zur Überwindung von Wachstumsgrenzen?
Der Diskurs um nachhaltiges Wirtschaften befindet sich an einem Wendepunkt: Wachstumsbefördernde und wachstumskritische Konzeptionen stehen sich konträr gegenüber. Wenngleich letztere seit der Finanzkrise von 2008 zunehmendes Interesse verzeichnen, dominieren derzeit noch Visionen einer ökologischen Modernisierung, die ein sogenanntes „grünes Wachstum“ versprechen. Dabei wird technischen und systemischen Innovationen zugetraut, anhaltende Zuwächse des Bruttoinlandsproduktes von ökologischen Schäden zu entkoppeln. Ergänzend dazu wird in der Verzahnung von digitalen Kommunikationsmedien und neuen institutionellen Marktarrangements eine Möglichkeit gesehen, wissens- und dienstleistungsbasierte Nutzungsformen zu kreieren. Getreu dem Motto „nutzen statt kaufen“ wird anstelle des Eigentums an Gebrauchsgütern lediglich das Nutzungsrecht übertragen.
Quelle: Paech, N., „Die Sharing Economy – ein Konzept zur Überwindung von Wachstumsgrenzen?“, Wirtschaftsdienst, 2015.
3. Übersicht der Arbeiterkammer
Ökonomie des Teilens
Der Bekanntheitsgrad und die Beliebtheit von „Sharing Economy“ haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Eine gemeinsame Nutzung von Gütern, beispielsweise Autos, steht dabei im Mittelpunkt. Die Reduktion von Kosten sowie der Gedanke an ökologische Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung werden dafür als wichtigste Argumente vorgebracht.
Quelle: Kaup, G., „Ökonomie des Teilens – 15 Nutzungsgemeinschaften im Überblick“, Arbeiterkammer, 2013.
Link: http://media.arbeiterkammer.at/stmk/Sharing_Economy_2013.pdf
4. Studie
Nutzen statt Besitzen – Auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur
Tauschen, Teilen, Mieten, Verschenken, «Nutzen statt Besitzen» oder «Collaborative Consumption» – in einigen Bereichen der Gesellschaft breitet sich eine Ökonomie des Teilens aus. Ebenso steht fest: Um den Verbrauch natürlicher Ressourcen (z.B. abiotische und biotische Rohstoffe, Wasser, Fläche) wesentlich zu reduzieren, reichen technologische Innovationen allein nicht aus. Vielmehr bedarf es als Ergänzung einer weiteren Strategie: Konsumgüter müssen intelligenter genutzt, länger in der Nutzungsphase gehalten, wieder- und weiterverwendet werden. Dienstleistungen, die ein «Nutzen statt Besitzen» fördern, müssen ausgebaut werden. Das gemeinschaftliche Nutzen von Produkten sowie neue Vermietungs- und Teilmodelle bergen große Potenziale, natürliche Ressourcen zu schonen.
Quelle: Leismann, K., Schmitt, M., Rohn, H., Baedeker, C., „Nutzen statt Besitzen – Auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur“, Heinrich-Böll-Stiftung, 2012.
Link: http://www.boell.de/sites/default/files/Endf_NutzenStattBesitzen_web.pdf
5. Interview
„Die Share Economy ist nicht per se fair oder unfair“
Prof. Dr. Michael Woywode vom Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim über die Ökonomie des Teilens, die digitale Transformation und die Auswirkungen der Share Economy auf den deutschen Mittelstand und die Gesellschaft.
Quelle: Birnesser, C., „Prof. Michael Woywode: „Die Share Economy ist nicht per se fair oder unfair“, Techtag, 2015.
6. Personen
# Prof. Dr. Uwe Walz
Uwe Walz promovierte 1991 an der Universität Tübingen und habilitierte 1995 an der Universität Mannheim, jeweils in Volkswirtschaftslehre. Er war Professor an der Universität Bochum (1995-1997) und hielt einen Lehrstuhl an der Universität Tübingen (1997-2002), bevor er 2002 dem Ruf der Goethe-Universität Frankfurt folgte und die Professor für VWL, insbes. Industrieökonomie annahm. Darüber hinaus war er Gastforscher an der London School of Economics und der University of California, Berkeley.
Derzeit ist er Direktor des Forschungsprogramms ‚Corporate Finance and Financial Markets‘ am Center for Financial Studies (CFS) sowie einer der drei Direktoren des Forschungszentrums SAFE (Sustainable Architecture of Finance in Europe). Sein derzeitiges Hauptforschungsgebiet umfasst die Bereiche Private Equity, Gründungs- und Wachstumsfinanzierung, Vertragstheorie sowie Industrieökonomie von Finanzmärkten.